Der Ob-Jenissej-Kanal. Ein Wasserweg Groß-Tartariens

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Wer sich auch nur ein wenig mit der offiziellen Geschichte der „Entdeckung“ Sibiriens befaßt hat, dem sind solche Paradoxa untergekommen, wie: wie sind die Abteilungen des A. Dubenskij bis zum Fluß Jenissej vorgedrungen?
Und warum wurde die Stadt Jenissejsk, die weiter nördlich liegt, früher gegründet (1619) als Krasnyj Jar (1628)?(Krasnyj Jar = wörtlich: das schöne Steilufer, heute Krasnojarsk – d.Ü.)
Warum konnten weitaus früher zuvor die Horden des Tschingis Khan auf dem Landwege bis nach Moskowien vordringen, aber die gesamte Nutzbarmachung Sibiriens erfolgte entlang der Flüsse und Treidelrouten? (in Ermangelung von Motorkraft wurden früher die Handelsschiffe von Tieren oder auch Menschen stromaufwärts gezogen – bekannt ist das Gemälde „Wolgatreidler“ von Ilja Repin – d.Ü.)

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Mein ЖЖ-Freund bskamalov hatte die Version geäußert, daß der Feldzug des Jermak nach Sibirien ausschließlich entlang der Wasserwege erfolgt war. Da gab es keinen einzigen (längeren) Landwegs-Abschnitt. Die Gedanken sind ein wenig eigenartig formuliert, aber so liest es sich auch interessanter. Vor dem weiteren Lesen hier ist dessen Seite sehr zu empfehlen.

Wenn man nur die Fortbewegung auf dem Wasser berücksichtigt, dann kann man tatsächlich von der Wolga bis ins Kaspische Meer gelangen, und von dort entlang dem Ural-Fluß bis zu den südlichen Bereichen der Ural-Berge.
Weiter muß man die Boote ein Stück über Land bis zum Fluß Tobol ziehen – so kommt man bis in die Flüsse Irtysch und Ob. Aber weiter nach Osten, zum Jenissei geht es auch dem Wasserwege gar nicht.
Der dem Jenissej nächstgelegenen Fluß, der zum Ob hin Kontakt hat, ist der Fluß Ketch.

Das kann man auf der Karte verfolgen:

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Und hier wird es interessant. Hier verbirgt sich die Antwort, warum Jenissejsk älter ist als Krasnojarsk.

Wie sich zeigt, hat es zu jenen Zeiten einen Kanal gegeben, der den Fluß Ketch mit dem Jenissei verband (die antike Karte dazu folgt am Ende des Artikels).
Und dieser ist noch erhalten geblieben und wurde möglicherweise Ende des 19. Jahrhunderts rekonstruiert, bereinigt und wiederhergestellt. Obwohl die (offizielle) Geschichte uns erzählt, daß er gebaut wurde und nicht wiederhergestellt.

Die Rede ist vom Ob-Jenissei-Kanal, der den Fuß Ketch (Zufluß des Ob) mit dem Fluß Kas (Zufluß des Jenissej) verbindet.

Ein wenig vorgreifend sei auf diesen Punkt hingewiesen: der Fluß Kas mündet in den Jenissei sehr viel weiter flußabwärts als sich die Stadt Jenissejsk befindet. Bis nach jenissejsk hätte die Dubenskij-Truppe also kräftig stromauf rudern müssen.
Bequemer wäre es für sie gewesen, die befestigte Siedlung gleich an der Mündung des Flusses Kas in den Jenissej zu errichten. (damit soll gesagt werden: die Stadt Jenissejsk wurde eben nicht von der Dubenskij-Expedition gegründet, sondern existierte bereits – d.Ü.)
Aber das sind Details.

Genauso ein Detail ist: wenn dies tatsächlich der Weg des A. Dubenskij und seiner Mannschaft gewesen war – woher wußte er davon? Ohne uralte Karte der Örtlichkeiten? Denn in einer Navigationsperiode (damit ist die meist kurze, dort frostfreie Zeit von Mitte Mai bis Mitte September gemeint – d.Ü.) konnte man damals eine solche Entfernung nicht zurücklegen. Man verliert sich in den Zuflüssen.

Also, schaun wir uns das mal an:

„Der Ob-Jenissei-Verbindungs-Wasserweg“ wurde 1991 als Natur-Denkmal anerkannt, um dieses einmalige hydrotechnische Objekt erhalten zu können. In der Krasnojarsker Region ist er auf dem Territorium des Jenissejsker Kreises gelegen und könnte berechtigt als größte bautechnische Ingenieurs-Einrichtung der Russischen Föderation bezeichnet werden.

Dies ist sozusagen Rußlands „Suez-Kanal“ (162 km lang), der den bekannten Bruder in der Länge um einige Dutzend Kilometer übertrifft.

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Der Ob-Jenissei-Kanal beginnt bei der Siedlung Ust-Osernoje am Fluß Ketch und mündet in den Fluß Bolschoj Kas (Großer Kas) etwa 40 km entfernt von der Siedlung Jarzewo in unserer Region. Er durchläuft die Mittelsibirische Tiefebene und schneidet die Wasserscheide der Flüsse Ob und Jenissei von West nach Ost, die Gesamtfläche des Objektes beträgt 190 Hektar.
Die Wasserverbindung verläuft über die Flüsse Ketch-Osernaja (16 km) – Lomowaja (39 km) – Jasewaja (35 km) – den See Bolschoje (der See liegt an der Wasserscheide, 5 km) – den Bach Kasanzewskij (gegrabener Kanal 7,8 km) – den Kleinen Kas (70 km) – den Großen Kas (197 km).

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Die (offizielle) Geschichte des Ob-Jenissei-Kanals begann um 1800, als die Kaufleute nach einer Möglichkeit suchten, die beiden großen sibirischen Flüsse zu vebinden: Ob und Jenissei.
(schon eine solche Aussage wirft die Frage auf: wer in den angeblich weitgehend menschenleeren Weiten Sibiriens stellte damals ein so großes wirtschaftliches Interesse für diese Kaufleute dar? denn die enormen Investitionen in einen solchen künstlichen Wasserweg mußten sich ja irgendwie auch wieder amortisieren… – d.Ü.)
Im Verlaufe von 12 Jahren wurden die Wasserscheiden zwischen den Taiga-Flüssen Tym und Sym, Wach und Jeloguj, Ketch und Kemh untersucht, um die bequemste Verbindungstrasse auszuwählen. Jedoch wurden die Arbeiten zum Bau eines solchen Kanals nicht begonnen.

Im Jahre 1875 rüstete der Jenissejsker Kaufmann P.E.Funtusow auf eigene Kosten eine Expedition aus, welche als bequemste Verbindung bestimmte: den Zufluß des Ob Ketch und den Zufluß des Jenissej – Großer Kas, mit der Nutzung des an der Wasserscheide befindlichen Sees.

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Aber das Ministerium beschloß, zwecks Einsparung der Mittel, einen Kanal für Schiffe mit einer Länge von 20 Metern und einer Tragfähigkeit von etwa 80 Tonnen zu bauen. In diesem Falle wäre eine Schiffahrt nur im Frühjahr möglich, und im Sommer könnten nur kleine Flußbarken mit bis zu 8 Tonnen Tragfähigkeit hindurchlaufen. Die Kosten des Projektes wurden auf 680 Tausend Rubel veranschlagt, Schleusen waren im Projekt nicht vorgesehen.

Der Bau des Kanals begann im Jahre 1884, hier waren 1200 Mann tätig, die unter unwahrscheinlich schwierigen Bedingungen der unwirtlichen schwerzugänglichen Taiga arbeiteten.
Bauleiter war der Chef des Tomsker Wegebezirks Baron B.A. Aminow.

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Der Ob-Jenissej-Kanal. Ein Wasserweg Groß-Tartariens -

Mit dem Bau des Kanals konnten Flußbarken vom Jenissej bis zum Ob gelangen und dann bis nach Tomsk, Barnaul und andere sibirische Siedlungen. Bis zum Jahre 1894 wurden auf dem Wasserwege (angeblich) lediglich 500 Tonnen Waren transportiert, ohne Berücksichtigung der Baulieferungen (für den Kanal).
Fast sofort wurde klar, daß man ohne Schleusen nicht auskommen würde, und im Jahre 1898 wurden am Kanal 14 Schleusen gebaut, damit auch kleinere Dampfer mit Zugbarken durchfahren konnten. Die Hälfte der Schleusen befindet sich auf dem Territorium des Krasnojarsker Gebietes: die Alexandrower, die Besymjannyj (die Namenlose), die Georgijewer, die Mokrjaki, die Marijn, die Nalimner und die Kasower.
Heutzutage leben in der Nähe der Kasower Schleuse mehrere Familien von Alttraditionellen (Staroobrjadzy = староoбрядцы; bitte nicht zu verwechseln mit den Altgläubigen = Starovery = староверы – d.Ü.), und in der Siedlung Alexandrow-Schleuse ist ein Haus erhalten, in welchem die leitenden Ingenieure beim Bau des Objektes gewohnt hatten: Aminow, Bobenskij, Tschenzow und andere.

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Die Kosten für den Bau der Ob-Jenissei-Verbindung betrugen etwa 2 Millionen Rubel. (eine gigantische Summe, denn das waren damals Gold-Rubel, die härteste Währung der Welt – d.Ü.)
Aber die zum Kanal führenden Flüsse Osernaja und Großer Kas waren nur vom Senkholz gereinigt worden und sonst in ihrer natürlichen Form verblieben (nicht vertieft worden – d.Ü.), wodurch Schiffe an diesen Stellen nur im Frühjahr(zur Schneeschmelze – d.Ü.) hindurchfahren konnten.
Die Wände der Schleusen und des gegrabenen Kanals beeindrucken auch heute noch durch ihre Haltbarkeit. Das sind mehrere Meter lange Laubbaum-Stämme, die exakt aneinandergefügt wurden, mit handgeschmiedeten Bolzen verbunden, die bis heute nicht durchgerostet sind.

Der Ob-Jenissej-Kanal. Ein Wasserweg Groß-Tartariens -

Unter Berücksichtigung dessen, daß Ende des 19. Jahrhunderts in Sibirien der Bau der Transsibirischen Eisenbahn aktiv betrieben wurde, verlor der neugebaute Kanal sehr bald an Bedeutung und wurde nicht mehr betrieben. Nicht ausgeschlossen, daß der Kanal, wenn er entsprechend dem ursprünglichen Projekt ausgeführt worden wäre, noch heute in Benutzung wäre.
Um so mehr als er durch zwei Regionen in nördlichen Breiten führt. Gegenwärtig kann der „Ob-Jenissej-Verbindungs-Wasserweg“ für Erkenntnis- und ethnografische Touristik genutzt werden.

Marianna Dolgopolowa.

P.S. (von USSR) Solch interessante und rätselhafte Orte gibt es massenhaft in Sibirien. Nur ist es mit diesem On-Jenissej-Kanal besonders interessant, seine erste Erwähnung datiert aus den Jahren 1796-97 als Projekt.

Jedoch wird in den Niederschriften der mittealterlichen Reisenden von einem mächtigen Staat Tartarien berichtet, wahrscheinlich eine der Bezeichnungen der Dritten Ruß – der Arta, in welchem solche Kanäle keine Seltenheit waren.

Da mich dies sehr interessiert hatte, habe ich die Karten jener Reisenden studiert, und was sehe ich da?
Auf der Karte von DeLille, herausgegeben im Jahre 1706 und erstellt noch viel früher, finde ich an der Stelle jenes Ob-Jenissej-Kanals eine sonderbare Einrichtung. Um nicht nur bei Worten zu bleiben, hier ein Fragment jener Karte:

Der Ob-Jenissej-Kanal. Ein Wasserweg Groß-Tartariens -

Rot umrandet ist diese sonderbare Einrichtung, die sehr an eine hydrotechnische Verbindung der beiden Flüsse erinnert.

Was ist das tatsächlich? Wieder ein „Hoax“? Oder haben die Kaufleute zur Zarenzeit auf diese Weise das Geld aus dem Staatshaushalt „gewaschen“ – denn wenn der Kanal schon existierte, dann konnte die Gelder ungehindert in den bodenlosen Taschen ihrer Kaftans verschwinden.
Oder ist das ein erneuter Beweis für den Betrug der „russischen orthodoxen Historiker“?

Quelle der Übersetzung

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